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Seit längerem fordert Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel strengere Anwendungsbestimmungen für das Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Er sorgt sich wegen einer möglichen Vergiftung des Trinkwassers und bittet in einem Brief an EU-Gesundheitsminister Vytenis Andriukaitis um Hilfe. Derweil wird über die Toxizität und das Gefahrenpotenzial von Glyphosat diskutiert.

Als Umweltminister „eines der Länder mit hoher landwirtschaftlicher Produktion“ steht das Herbizid schon länger auf der Agenda von Stefan Wenzel. Die neuen Vorgaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sieht Niedersachsens Umweltminister als „Teilerfolg“. Nach den neuen Bestimmungen dürfen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel innerhalb eines Jahres auf demselben Feld nur noch zweimal ausgebracht werden. Es dürfen nicht mehr als 3,6 Kilogramm pro Hektar auf die Felder und der Abstand zwischen den beiden Behandlungen muss mindestens 90 Tage betragen. Spätanwendungen im Getreideanbau sind nur für präzisierte Ausnahmefälle zulässig. Für Wenzel ist ein striktes Verbot die einzig logische Konsequenz.

Das Problem ist die unterschiedliche Einschätzung über das Gefahrenpotenzial von Glyphosat. Forscher von IARC, der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, stuften das Pflanzenschutzmittel als „wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen“ ein. Das Timing könnte nicht besser sein. Ende dieses Jahres läuft die EU-Zulassung für das Herbizid aus und das Wiederbewilligungsverfahren ist in vollem Gange. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verfasst in diesem Verfahren die Berichte und schickt sie an die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA. Das BfR meldete an die EFSA: „nicht krebserregend“. Dabei scheint das BfR alles heranzuziehen, welches das Monsanto-Flagschiff der Unkrautvernichter aus dem Krebsverdacht herausholt. So sind in dem Bewertungsbericht unter den 92 Studien insgesamt 14 Leserbriefe von MitarbeiterInnen des Konzerns Monsanto als „Studien“ gelistet.

Das BfR stützt sich bei seiner Einschätzung zudem auch auf vorausgewählte Studien der Glyphosate Task Force (GTF), ein Zusammenschluss von Agrarchemiefirmen wie Monsanto Europe, Syngenta und Dow. Unter den Studien waren auch unter Verschluss gehaltene Auftragsstudien. Die Kritik, von der Industrie gewünschte Bewertungen abzugeben, wies der BfR zurück.

Die Studie der WHO wurde bislang nur als Kurzfassung in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht. Nun wird gespannt auf die komplette gewartet, die für Juli angekündigt wurde. Im Gegensatz zum BfR hat die WHO ausschließlich publizierte Untersuchungen berücksichtigt. „Nicht öffentlich zugängliche Industriestudien zieht die IARC bewusst nicht hinzu“, erklärt Kurt Straif, Leiter ihres Prüfungsgremiums. Der Aussage „wahrscheinlich krebserregend“ fehlt der eindeutige Nachweis einer karzinogenen Toxizität. Aber „es gibt genügend stichhaltige Hinweise auf genotoxische Wirkungen“, betont Straif.

Monsanto kontert: „Ich ziehe eine andere IARC-Einstufung heran: Sonnenbaden – auch zu lange Sonnenbäder können Krebs verursachen. Deswegen hat ja noch niemand die Sonne abgeschaltet! Die Dosis macht das Gift“, sagt Holger Ophoff von Monsanto Deutschland. Laut Straif vergleicht Ophoff mit seiner Aussage Äpfel mit Birnen, denn die genotoxischen Wirkungen könnten „auch bei niedrigsten Dosen“ auftreten. Die Forscher der WHO über ein Jahr die Studien geprüft und sich nach einer achttägigen Diskussion auf eine Bewertung geeinigt. Die Wissenschaftler der IARC gelten international als Instanz in der Krebsforschung, bekamen vom britischen Guardian sogar das Kompliment sie seien „hoch respektable Abweichler“. Auch bei den Krebsgefahren durch Dieselabgase und Luftverschmutzung waren sie Vorreiter. „Einer muss der Erste sein“, sagt Straif. Ein Grenzwert für Glyphosat biete keine absolute Sicherheit, daher sei ein Verbot allemal besser. Letztlich wird die Politik entscheiden müssen. Die europäischen Behörden müssen nun die unterschiedlichen Bewertungen prüfen und eine Entscheidung fällen müssen.

Um der EU die Entscheidung nicht allzu leicht zu machen, schrieb Niedersachsens Umweltminister einen Brief an den EU-Gesundheitsminister Vytenis Andriukaitis..Außerdem zeige Glyphosat “besorgniserregende Wirkungen“. „Bei der anstehenden Neubewertung dürfen Studien, aus denen sich mögliche Gefährdungen von Menschen und Umwelt ergeben, nicht unter den Tisch fallen“, schreibt Wenzel in seinem Brief. Dazu gehören Studien, die Schadwirkungen auf Mensch und Tier aufzeigen, die von Vergiftungen, Schäden an der Darmschleimhaut über Missbildungen bei Tieren bis zum Verdacht Autismus beim Menschen auszulösen
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Wenzel sorgt sich zudem um eine mögliche Vergiftung des Trinkwassers. In Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz will Wenzel die Überwachung der Grundwassereinträge verstärkt Überwachen. „Zusätzliche Maßnahmen zur Unterbindung des Eintrags von Pflanzenschutzmitteln in Gewässer sind notwendig. Die Befunde des NLWKN zu Pflanzenschutzmitteln und deren Reststoffe sind besorgniserregend“, so der Umweltminister.

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