Charite-Berlin-Schild-Coca-Cola-Sponsoring

Nach dem Skandal in den USA über die von Coca-Cola finanzierten Studien und „Gesundheitspartnerschaften“ mit renommierten Wissenschaftlern und Institutionen kommt die „gekaufte Wissenschaft“ in Deutschland auch ans Licht. Ausgerechnet bei einer Initiative zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen ist Coca-Cola der Geldgeber.

Allein in den USA und Kanada fördert der Großkonzern Gesundheitsinitiativen und Forschungsprojekte im dreistelligen Millionenbereich. Damit will die Coca Cola Company gezielt die Debatte um Übergewicht und zuckerhaltige Softdrinks zu seinen Gunsten beeinflussen. Das Geld fließt in Sportprojekte, Gesundheitsinitiativen und in Forschungsförderung. Oftmals ist der Öffentlichkeit gar nicht bewusst, dass diese Projekte von Coca Cola gesponsert sind. Die zunehmende Kritik über diese Art der Beeinflussung sorgte dafür, dass der Konzern seine „Gesundheitspartnerschaften“ für ganz Nordamerika im Internet offenlegt - Gekaufte Wissenschaft: Forschung im Dienst der Konzerne.

Das Coca Cola in Nordamerika so in Zugzwang kam, lag an der Enthüllung der New York Times im August 2015 über das Wissenschaftssponsorings durch Großkonzerne. Daraufhin gab der Softdrink-Konzern zu in den vergangenen fünf Jahren knapp 120 Millionen Dollar für Wissenschaftskooperationen und Gesundheitspartnerschaften ausgegeben zu haben. Es blieb dem Konzern nichts anderes übrig, als die Wissenschaftler und Gesundheitsorganisationen die finanziell unterstütz werden, offen zu legen. Für Europa gibt es bisher keine Transparenz über die ‘gekaufte Forschung‘. Die Verbraucherorganisation foodwatch forderte im Dezember Coca Cola auf, auch die europäischen Förderprojekte bis spätestens Ende Januar 2016 offen zu legen. Der Softdrink-Hersteller reagierte darauf und stellte eine Liste über seine Gesundheitspartnerschaften ins Netz, jedoch möglichst unauffällig in einem Blogbeitrag auf der Coca-Cola Company Webseite.

Wie aus den Informationen hervorgeht, hat Coca-Cola allein in Deutschland von 2010 bis 2015 Gesundheitspartnerschaften mit 7,5 Millionen Euro finanziert, um sich als Förderer von Gesundheit, ausgewogener Ernährung und Bewegung zu präsentieren. Die Berliner Charité hat sich über fünf Jahre mit insgesamt einer Millionen Euro sponsern lassen. Coca-Cola finanzierte bei der Charité ausgerechnet Forschungsprojekte und eine Initiative zum Thema Herzkrankheiten und Prävention, wo doch zuckerhaltige Softdrinks im Verdacht stehen solche Erkrankungen zu begünstigen. „Ein schlechter Witz: Ausgerechnet der größte Limo-Produzent der Welt will Frauen über die Vorsorge von Herz-Kreislauferkrankungen aufklären“, so Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelmarketing bei foodwatch. „Softdrinks wie Coca-Cola fördern selbst Übergewicht, Diabetes und auch Herzerkrankungen. Doch diese Debatte über die eigene Verantwortung will Coca-Cola unbedingt vermeiden. Die Charité darf da nicht länger mitspielen.“

Für die gesponserte ‘Hör auf dein Herz‘ Initiative, mit Ziel der Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen, wurde die renommierte Kardiologin Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek als Partnerin präsentiert. So tritt die Direktorin des Charité-Institutes für Geschlechterforschung in der Medizin unter anderem in einer Pressemitteilung der Initiative auf, in der sich Coca-Cola damit brüstet, sich „für einen aktiven und gesunden Lebensstil zu engagieren“. „Zuckergetränke wie Coca-Cola sind mitverantwortlich für den weltweiten Anstieg von Übergewicht und chronischen Krankheiten, Herzinfarkte inklusive“, erklärte Oliver Huizinga. „Coca-Cola betreibt mit Geldspritzen für Forschungseinrichtungen und Sportprojekte einen millionenschweren Ablasshandel. Die Charité lässt sich vor den Werbekarren des Konzerns spannen und präsentiert Coca-Cola damit als Teil der Lösung statt als Teil des Problems – damit muss Schluss sein!“

Im Februar forderte foodwatch die Berliner Charité auf, die Partnerschaft mit dem weltgrößten Softdrinkhersteller zu beenden und wurde durch die gestartete E-Mail Protestaktion mit mehr als 14.000 Bürgerinnen und Bürger darin unterstützt. Anfänglich haben die Charité-Direktorin und Coca-Cola ihre Werbepartnerschaft in der Öffentlichkeit gegen Kritik verteidigt. Von Seiten der Klinik wurde die Kritik ebenfalls zurückgewiesen. Die Forschungsprojekte seihen eh abgeschlossen und eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit Coca-Cola sei „nicht geplant“.

Dennoch blieb Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek weiterhin prominentes Werbegesicht der Coca-Cola-Initiative „Hör auf dein Herz“. Sie trat weiterhin zusammen mit Ihrer Deutschen Gesellschaft für Geschlechterspezifische Medizin, deren Gründungspräsidentin sie ist, als „Partnerin“ des Projektes auf. Einem Flyer von ‘Hör auf dein Herz‘ ist zu entnehmen, diese Initiative ist eine Zusammenarbeit von Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek und Coca-Cola. Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Geschlechterspezifische Medizin wurde ebenfalls noch für ‚‘Hör auf dein Herz‘ geworben. In einer extra Rubrik konnte von Coca-Cola bereitgestelltes Informationsmaterial heruntergeladen werden. „Ausgerechnet der größte Limo-Produzent der Welt sponserte Projekte zur Vorsorge von Herz-Kreislauferkrankungen – das ist, als ob Marlboro Forschung zu Lungenkrebs unterstützen würde. Zuckergetränke wie Coca-Cola sind flüssige Krankmacher, sie fördern Übergewicht, Diabetes und auch Herzerkrankungen. Diese Debatte will Coca-Cola unbedingt vermeiden – das Sponsoring von Gesundheits- und Sportprojekten ist ein Feigenblatt, um von der eigenen Verantwortung abzulenken“, so Oliver Huizinga von foodwatch.

Die Kritik von foodwatch und die E-Mail-Protestaktion haben wohl Wirkung gezeigt. Die Kooperation ist nun wirklich beendet. Entsprechende Angaben wurden im Internet geändert. Frau Regitz-Zagrosek wird nicht mehr als Partnerin von ‘Herr auf dein Herz‘ genannt. Das Foto auf der Startseite ist ebenso verschwunden wie der Flyer. Nur unter der Rubrik Hintergründe ist noch zu erfahren, dass Frau Regitz-Zagrosek und ihre Deutsche Gesellschaft für Geschlechterspezifische Medizin zwischen 2010 und 2015 die „Partner der Initiative“ waren. Auf der Unternehmenswebseite von Coca-Cola wird ebenfalls nur noch von der Vergangenheitsform gesprochen. Die Rubrik ‘Hör auf dein Herz‘ und das Informationsmaterial sind auf der Internetpräsenz der Deutsche Gesellschaft für Geschlechterspezifische Medizin ebenfalls verschwunden.

„Jahrelang ließ sich die Charité bereitwillig vor den Werbekarren von Coca-Cola spannen. Kritik wurde abgewiesen – die Zusammenarbeit sei Ende 2015 ohnehin ausgelaufen, hieß es. Gleichzeitig gab eine Charité-Direktorin weiter ungeniert das Werbegesicht für Coca-Cola. Heimlich, still und leise wurde diese Zusammenarbeit mit dem Limo-Riesen jetzt aber offenbar eingestellt“, sagte Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelmarketing bei foodwatch.

Von den knapp 7,5 Millionen Euro, die Coca-Cola in Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2015 für Sponsoring im Bereich Gesundheit, Ernährung und Bewegung investiert hat, entfielen knapp 1,5 Milionen für Forschung. Die Gelder flossen an 23 Organisationen und Forschungseinrichtungen, wie das Deutsche Kinderhilfswerk, die Universität Paderborn oder den Deutschen Olympischen Sportbund. In der Europäischen Union ist Coca-Cola ebenfalls als Sponsor und Gesundheitspartner aktiv. In Frankreich finanziert der Softdrinkhersteller ausgerechnet die Diabetesgesellschaft (Fédération Française des Diabétiques) und in Großbritannien die British Nutrition Foundation. Coca-Cola ist nur das aktuellste Beispiel für gekaufte Wissenschaft im Namen der Konzerne. Daher überrascht es nicht, dass es immer kontroverse Studien zu privatfinazierten und unabhängigen Studien wie Bisphenol A, Softdrinks, Medikamente, Fleisch aus Massentierhaltung, industriell gefertigter Nahrung und vielem anderen geben wird.