Wasserglas

Nach Angaben der Stadtwerke wurde eine Kontaminierung des Umweltgiftes HCB-D in der Brunnenanlage Rain festgestellt. Das war den Stadtwerken seit 2014 bekannt. Die Bevölkerung wurde darüber nicht informiert, da zum gleichen Zeitpunkt die Brunnenanlage vom Netz genommen wurde. Wie lange die Verbraucher vor der Entdeckung mit HCB-D verseuchtes Wasser konsumiert haben ist jetzt die Frage. Schon 1992 wurde im Fluss Gurk HCB-D in hoher Konzenration nachgewiesen.

Vom HCB-D Skandal aus Görtschitztal ausgehend, platzt die nächste Bombe. Auch in Klagenfurt wurden Rückstände des Umweltgiftes nachgewiesen, allerdings schon 2014 und ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. HCB ist die Kurzform von Hexachlorbenzol. HCB-D ist die wasserlösliche Variante des chemischen Stoffes. Die Stadtwerke argumentierten, dass keine Notwendigkeit bestand habe die Öffentlichkeit zu informieren, da nur in der Brunnenanlage Rain HCB-D nachgewiesen wurde. Just ging zu diesem Zeitpunkt der Brunnen auch vom Netz. „Die Maßnahme stand in keinem Zusammenhang mit HCB. Der Brunnen dient lediglich zur Notversorgung“, sagt STW-Sprecherin Birgit Rutter. Zudem seien zu keinem Zeitpunkt Grenzwerte überschritten worden.

Eine etwas irreführende Aussage, da es in der Deutschen Trinkwasserverordnung gar keinen Grenzwert für HCB-D gibt, sondern nur einen Richtwert. Nach Angaben des Landes-Umweltbericht von 1999 sollte in Gewässern HCB-D „in nicht höherer Konzentration als 0,1 Mikrogramm pro Liter“ vorkommen. Bei den neuesten Messungen der Anlage Rain wurden 0,23 Mikrogramm gemessen, also 130 Prozent höher als der Richtwert. Nach Angaben von Greenpeace gehört HCB „zu den zwölf gefährlichsten Industriechemikalien überhaupt. Es kann u.a. Krebs auslösen, aber auch die Leber und das Hormonsystem beeinflussen. Es ist auch deswegen besonders gefährlich, weil es persistent (langlebig, schwer abbaubar) ist und sich in Organismen anreichern kann. Eine länger dauernde Aufnahme von jeweils geringen Mengen kann dabei problematischer sein als eine einmalige hohe Aufnahme.“

Die Ursachen für die Verunreinigungen liegen im Fluss Gurk. Auf seinem Weg Richtung Klagenfurt kommt der Fluss bei der Donau Chemie in Brückl vorbei. Zusammen mit dem Wietersdorfer Zementwerk stehen sie im Fokus des 2014 aufgekommenen HCB-D Skandals. Das Land Kärnten und der Magistrat haben daraufhin Untersuchungen veranlasst. Die Stadtwerke haben bestätigt, „dass die ins Netz eingespeiste Wasserqualität zu 100 Prozent ohne HCB und Folgekontaminationen ist“. Als Folgekontamination ist hier HCB-D gemeint. „Die Klagenfurter können sich darauf verlassen, Trinkwasser in Top-Qualität zu bekommen“, erklärt Vorständin Sabrina Schütz-Oberländer. Die Trinkwasserversorgung wird zum größten Teil durch die Brunnenanlage Straschitz im Süden und die Wasserschiene gewährleistet.

Aktuell ist das Trinkwasser nach Angaben der Behörden sicher, doch wieviel verseuchtes Trinkwasser ist die Jahre zuvor durch die Leitungen der Verbraucher geflossen? „Was davor passiert ist, kann niemand genau sagen. Es sind kaum Proben vorhanden, die jetzt rückwirkend getestet werden können“, sagt Umweltexperte Herwig Schuster von Greenpeace. Seit den 20er Jahren schon werden auf der Deponie in Brückl Altlasten gelagert. Es ist ein Fakt, dass über die Gurk belastetes Wasser nach Klagenfurt kommt. „Für diesen Fluss besteht nicht umsonst ein Fischereiverbot“, so Schuster.

Es ist wohl kaum mehr zu bestreiten. Klagenfurt und die umliegenden Gemeinden wurden seit Eröffnung der Brunnenanlage Rain 1999 bis 2014 mit HCB-D verunreinigtem Wasser versorgt. Über diesen Zeitraum wurden Untersuchungen durchgeführt und stets ein negativer Wert an HCB gemessen. Dies verwundert kaum, denn HCB ist nur schwer wasserlöslich. Allerdings wurde versäumt auf das wasserlösliche HCB-D zu testen. Dies geschah erst 2014 und wurde prompt in hoher Konzentration nachgewiesen.

Ein deutsches Institut hat 2014 im Auftrag des damaligen Vorstands der Stadtwerke, Romed Karré, das Trinkwasser auf HCB-D untersucht. Gemessen wurde ein Wert von 0,2 Mikrogramm pro Liter. Die Stadtwerke haben daraufhin den Krisenkoordinator Albert Kreiner (Landesregierung) und den Magistrat Klagenfurt informiert. Keine der Stellen hielt es für Notwendig die Öffentlichkeit über die hohen Werte von HCB-D im Brunnen Rain zu informieren. Selbst rückwirkend sehen die jeweiligen Stellen keinen Handlungsbedarf. Es sei „der Grenzwert nicht überschritten worden“ heißt es unisono. Soweit richtig, da es ja keinen Grenzwert gibt. Zudem spielen sich die Behörden den Ball gegenseitig zu. Für die Messung des Grundwassers zur Trinkwassergewinnung seien im aktuellen Fall die Bezirksverwaltungsbehörden und somit der Magistrat Klagenfurt verantwortlich. Die Landesregierung wiederum argumentiert. Dass die Stadtwerke zur Information verpflichtet seien. „Die Veröffentlichung von Messergebnissen in Hinblick auf das Trinkwasser betreffend dem Brunnen Rain kann rechtlich nur vom Betreiber durchgeführt werden“, so Umweltlandesrat Rolf Holub.

Seit mehr als einem Jahrhundert erzeugt die Donau Chemie in Brückl chemische Grundstoffe der Chlorchemie. Das Problem ist also seit langem bekannt, doch spezielle Vorsorgeuntersuchungen wurden nie als notwendig betrachtet. Anfang des letzten Jahrhunderts waren sicherlich die potenziellen Gefahren für Umwelt und Mensch nicht so umfangreich bekannt wie heute. 1910 wurde mit der Deponie K 5 begonnen. 1926 fing die Befüllung der Altlast K 20 an.

In einem Bericht des Umweltbundesamtes über die Altlast K 5 in Brückl aus dem Jahr 1998 bestätigt die hohe Gefährdung des Trinkwassers: „Im Bereich des Werksgeländes wurden im Grundwasser häufig CKW-Konzentrationen von 10.000–60.000, maximal 140.000 µg/l festgestellt. Der Vergleich der Messwerte mit dem Orientierungswert für eine Beeinträchtigung des Grundwassers durch CKW (30 µg/l) weist auf die extreme Verunreinigung des Grundwassers hin. In den Proben aus den tiefsten Grundwasserbereichen wurden CKW-Konzentrationen zwischen ca. 10.000 µg/l und ca. 40.000 µg/l festgestellt. Die CKW haben sich daher bis zum Felsuntergrund in maximal 100 m Tiefe ausgebreitet. Der Grundwasserkörper ist über die gesamte Mächtigkeit (maximal ca. 97 m) massiv mit CKW verunreinigt. Die im Grundwasser in den höchsten Konzentrationen festgestellten CKW sind Trichlorethen, Tetrachlorethen, Tetrachlorethan, Tetrachlormethan, Hexachlorbutadien und Hexachlorethan. Unter Berücksichtigung der sehr großen Mächtigkeit des Grundwasserkörpers und des großen Grundwasserdurchflusses im Bereich des Altstandortes zeigen die in einer Entfernung von ca. 150 m im Grundwasserabstrombereich festgestellten CKW-Konzentrationen bis maximal 136.000 µg/l, daß eine massive Ausbreitung von CKW stattgefunden hat und eine sehr große CKW-Fracht mit dem Grundwasser abfließt.“

Auch für die Altlast K 20 in Brückl gibt es einen ausführlichen Bericht vom Umweltbundesamt aus dem Jahr 2003. Aus dem nachfolgenden Auszug wird ersichtlich, dass die HCB-D Problematik für das Trinkwasser in Klagenfurt lange bekannt ist. „Unmittelbar südöstlich und nördlich der Altablagerung fließt die Gurk. In der Umgebung befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen und mehrere Wohngebäude. Die Altablagerung ist eine Brachfläche. Das Untersuchungsgebiet befindet sich im südlichen Bereich des Grundwasserschongebietes „Krappfeld“. Etwa sechs Kilometer grundwasserstromab beginnt das Grundwasserschongebiet „Klagenfurt-Ost“. Etwa 10 km grundwasserstromabwärts beginnt die Kernzone des Grundwasserschongebietes „Klagenfurt Ost“ […]Für Trichlorethen und Tetrachlorethen sowie für die nur sehr gering wasserlöslichen Parameter Hexachlorbutadien, Hexachlorbenzol und Hexachlorethan wurden teilweise deutlich erhöhte wasserlösliche Gehalte festgestellt. Die Analysenergebnisse von Schöpfproben aus dem Grundwasser im Bereich der Deponiesohle bestätigen, dass massiv belastete Sickerwässer ins Grundwasser gelangen. In den Schöpfproben wurden neben Trichlorethen und Tetrachlorethen auch die Abbauprodukte 1,1-Dichlorethen und cis-1,2-Dichlorethen in deutlich erhöhten Konzentrationen nachgewiesen. Bei den schwerflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen waren die ausschlaggebenden Parameter für die Verunreinigungen Hexachlorbutadien und Hexachlorbenzol […]n den Ablagerungsproben konnten auch erhöhte Gehalte für Aluminium und vereinzelt für Quecksilber und Arsen festgestellt werden. Im gewachsenen Boden unter den Ablagerungen sind ausschließlich die Aluminiumgehalte erhöht, wobei die durchschnittlichen Aluminiumkonzentrationen deutlich über den Gehalten in den Ablagerungen liegen. Für Aluminium wurden auch erhöhte wasserlösliche Gehalte festgestellt. Aufgrund früherer Untersuchungen (1990) von Kalkschlammproben kann davon ausgegangen werden, dass die stark erhöhten Aluminiumgehalte durch den Kalkschlamm verursacht werden. Die Grundwasserbeweissicherung ergab eine extreme Grundwasserverunreinigung durch die im Bereich der Kalkdeponie I/II abgelagerten Abfälle. Die höchsten Grundwasserbelastungen durch chlorierte Kohlenwasserstoffe wurden im Abstrom des zentralen Bereiches der Kalkdeponie I und des südwestlichen Bereiches der Kalkdeponie II festgestellt. Für leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe wurden über 2.000 µg/l und für schwerflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe über 600 µg/l gemessen. Der Vergleich der Messwerte mit dem Maßnahmenschwellenwert (30 µg/l) der ÖNORM S 2088-1 weist auf die massive Beeinträchtigung des Grundwassers hin.“ Seit Stilllegung der Brunnenanlage Rain kommt die Hälfte des Klagenfurter Trinkwassers aus dem Krappfeld. Dieses Gebiet grenzt im Südwesten an das Görtschitztal.

„Nach der Stilllegung des Wasserwerks Rain, bezieht Klagenfurt bereits die Hälfte der jährlichen Fördermenge von 8,5 Millionen Kubikmetern aus dem Krappfeld. Wir verlangen jetzt die Offenlegung aller Prüfberichte von dieser Quelle", fordert Michael Wulz, Sprecher des Bürgerforums ‘Wasser Klagenfurt‘. Der für Altbausanierung zuständige Landesbeamte Michael Rabitsch gibt zu, dass die Quelle Krappfeld nie auf HCB-D untersucht wurde. „Das ist auch nicht erforderlich, weil es sich beim Krappfeld um einen anderen Grundwasserkörper handelt. Außerdem besteht keinerlei Verdacht, dass Giftstoffe wie HCB oder HCBD in die Krappfeld-Quelle gelangt sein könnten. Die für Trinkwasser vorgeschriebenen Standard-Tests sind ausreichend“, so Rabitsch.

Zwar schätzt auch Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster eine Kontamination der Quelle Krappfeld als gering ein, doch einfach davon auszugehen, es sei alles in Ordnung sei falsch. „Die Behörde sollte hier auf Nummer sicher gehen und Beprobungen durchführen, die über die üblichen Vorlagen der Trinkwasserverordnung hinausgehen“, sagt Schuster. Sollten die Behörden dies nicht veranlassen werde Greenpeace eine Testreihe in Auftrag geben.

Seit vielen Jahren gilt in der Gurk ein Fischereiverbot, weil das Wasser kontaminiert ist. Auf die Idee das Trinkwasser in der Folge auf HCB-D zu untersuchen ist jedoch niemand gekommen. „Rein rechtlich muss der Wasserversorger auf die Qualität seines Wassers achten“, so Schuster von Greenpeace und kritisiert auch den Informationsfluss an die Öffentlichkeit seit 2014. „Spätestens da hätte man etwas sagen müssen.“ Für den Greenpeace Umweltexperten Schuster sei es jetzt ein Muss sich „alle Wasserentnahmestellen nach Brückl genau anzusehen.“

Die Umweltabteilung des Landes betont, dass sich die HCB-D Belastung nur im Nahbereich südlich der Donau Chemie befinde. Zudem gebe es seit Februar 2015 ein Sondermonitoring der Gurk. Seit der HCB-D Skandal 2014 begann, wurden zwischen Brückl und Klagenfurt 26 Grundwasserstellen auf HCB-D getestet. Insgesamt wurden an vier Stellen HCB-D Konzentrationen nachgewiesen. Neben dem Brunnen Rain auch an einer weiteren Messstelle in der Gurk. Die beiden anderen positiven Proben kamen von zwei Hausbrunnen.

Auch im Hinblick der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der Deutschen Trinkwasserverordnung sieht Schuster eine Forcierung des Problems.“HCB-D steht nicht in dieser Verordnung. Das Trinkwasser wird daher auch nicht auf diesen Stoff geprüft“, so Schuster und versucht gleichzeitig die Verbraucher zu beruhigen. „Der Brunnen (Rain) war einer von mehreren, der die Trinkwasserversorgung Klagenfurts gespeist hat. Durch die Verdünnung halte ich die Gefährdung für die Bevölkerung für sehr, sehr gering.“ Es fragt sich jetzt nur wie belastet die Quelle Krappfeld und andere Brunnen sind.