Nestlé saugt Wüstenregion in Kalifornien aus

Der US-Bundesstaat Kalifornien leidet seit Jahren immer wieder an großen Dürren. Dieses Jahr folgt die dritte in Folge. Das hindert den Schweizer Großkonzern nicht daran trotzdem Wasser für die Flaschenwasserproduktion abzupumpen. Weil sich die Quellen auf einem Indianerreservat befinden, greift nicht das US-Recht. Nestlé kann ungehindert die Ressourcen ausbeuten.

2013 wurden große Gebiete Kaliforniens durch Waldbrände in Mitleidenschaft gezogen, und im laufenden Jahr kam es ebenfalls vereinzelt zu größeren Waldbränden wie im Morongo-Tal im Riverside County. In dieser Region ist das Wasser ein kostbares und rares Gut. Daher ruft der US-Bundesstaat seine Bewohner auf, Wasser zu sparen. Wasserverschwendung wird bereits mit Geldbußen geahndet, und es wird geprüft, ob eine Beschränkung des Wasserverbrauchs im Freien die Situation verbessern könnte. Sollte das kalifornische Quellwasser angesichts dessen wirklich kommerziell abgefüllt und verkauft werden?

Dass Nestlé Grundwasser in Armutsregionen für seine Marke Pure Life abfüllt und teuer verkauft, ist allgemein bekannt. Aber ausgerechnet die Quellen in einer der wasserärmsten Regionen der westlichen Welt auszubeuten, dem Riverside County im südöstlichen Kalifornien, zeigt, dass Nestlé Quellen anzapft, wo es nur geht. Dass Nestlé überhaupt dort das Grundwasser anzapfen kann, liegt darin begründet, dass die Quelle im Reservat des Morongo-Indianerstammes in der Mojave-Wüste am Fuß der San Bernardino Mountains liegt. Hier gelten die staatlichen Vorschriften und Maßnahmen nicht. Über die Kritik muss Nestlé sich nicht wundern. Würde Nestlé die gleiche Menge an Wasser in einer wasserreichen Region abpumpen, wäre das für das Ökosystem ungleich weniger schädlich. „Aber dies ist ein Wüsten-Ökosystem. Das Wasser hier ist extrem rar und hat einen ungleich höheren Wert für die Natur als an einem anderen Ort“, erklärt Peter Gleick, Autor des Buches „Bottled and Sold“ (Abgefüllt und verkauft).

Wie viel Wasser Nestlé abfüllt, ist nicht bekannt, da es keine Aufzeichnungspflichten gibt. Das Morongo-Reservat ist rechtlich eine souveräne Nation und somit von den amerikanischen Gesetzen befreit. Das gilt selbstverständlich auch für die Berichtsanforderungen über Wassernutzung und -verbrauch. Auf wiederholte Anfrage der Zeitung „The Desert Sun“, die sich die Produktionsstätte von Nestlé ansehen wollte, kamen immer Absagen. Auch ihre Fragen nach Informationen über Wasserentnahmen und Produktionsmengen wurden nicht beantwortet. Das Schweizer Unternehmen will absolut keine Stellung nehmen, weist jedoch auf seinen umweltfreundlichen und nachhaltigen Umgang mit Wasser und Energie hin. Wenig Wasser wird es aber nicht sein: Die Abfüllanlage im Indianerreservat ist etwa 31.400 Quadratmeter groß.

Zahlen existieren nur aus früheren Zeiten. Nestlé füllt an zwei Quellen Grundwasser ab. Bei den Morongo-Indianern wird für die Marke Pure Life abgefüllt. Im Millard Canyon, ebenfalls im Reservat, füllt Nestlé für die Marke Arrowhead, 100 % Mountain Spring Water, das Quellwasser ab. Für die Quelle des Millard Canyon legte das Unternehmen 2009 noch detaillierte Berichte vor, seit diesem Zeitpunkt kamen von Nestlé keine Informationen mehr. Die San Gorgonio Pass Water Agency, ein staatlicher Wasserlieferant, berichtet, dass sich die Wasserstände der beiden Quellen im Canyon in den letzten Jahren dramatisch verringert haben. 2002 hatte das Grundwasser noch eine Oberfläche von 1,7 Millionen Kubikmeter. 2005 waren es nur noch 743 Kubikmeter.

Es gibt auch Befürworter der Aktivitäten von Nestlé: Die Verwaltung von Riverside County ist erfreut über die Schaffung von Arbeitsplätzen und auch über die Nutzung des Wassers. „Die beste Verwendung des Grundwassers findet sich in der Verarbeitung zu Trinkwasser“, sagt Marion Ashley, Ortsvorsteherin von Riverside County. Im Grunde ist das richtig, doch besser wäre es, anstatt das Wasser in Flaschen zu füllen und teuer zu verkaufen, es über die Trinkwasserversorgungsbetriebe in die Haushalte der Bewohner zu leiten. Laut der Zeitung „The Desert Sun“ handelt es sich bei den fallenden Wasserständen des Grundwassers um rund 200 Millionen Gallonen (760 Millionen Liter) Wasser pro Jahr, was genug wäre, um 400 US-Haushalte im Coacha Valley zu versorgen. Das fehlende Wasser beklagt auch der Wasserversorger Desert Water Agency. Zwar ist es den kommerziellen Anbietern nicht verboten, das Grundwasser abzupumpen, doch sei es „eine Schande“, dass das Wasser exportiert würde und nicht der örtlichen Bevölkerung zugute komme, wie Firmenchef David Luker erklärt.

Vor einigen Jahren war es dem Autor Peter Gleick erlaubt worden, den Millard Canyon zu besuchen, und er beschrieb, dass die Brunnen das Wasser aus demselben Grundwasserleiter abpumpen, die auch die natürlichen Quellen speisen. Er sah auch einen kleinen Bach, der entlang von Pappeln floss. In welchem Umfang die natürliche Quelle immer noch fließt, ist nicht bekannt, da der Indianerstamm niemanden mehr auf dieses Gebiet lässt. Das Abpumpen des Wassers führt jedoch dazu, dass die Quelle nicht mehr bergab fließt, das Wasser versickert und den Grundwasserleiter wieder auffüllt. „Oberflächenwasser ist so selten und die Lebensgemeinschaften rund um diese Oasen sind einzigartig, dass uns diese Art von Abfüllanlagen in der Wüste zu denken geben sollte“, sagte Gleick, Präsident des Pacific Institute in Oakland, und ergänzt. „Wenn sie das Wasser nicht abpumpen würden, dann würde das Volumen, das sie nehmen, wieder das Grundwasser auffüllen oder Oberflächenströme versorgen.“

Zwar hüllt sich der Morongo-Stamm, genau wie Nestlé, in Schweigen, wenn es um detaillierte Informationen geht, doch der Sprecher des Stammes Michael Fisher gab ein Statement per E-Mail ab. „Die Morongo-Band-of-Mission-Indianer sind eine souveräne Nation mit einer langen Geschichte der Fürsorge für die Umwelt und der Selbstverpflichtung für den Umweltschutz, die Luft, die lokalen Lebensräume und Stammeswasserressourcen betreffend. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Nestlé Waters North America bietet über 250 lokale Arbeitsplätze durch den Betrieb einer nachhaltigen Wasser-Abfüllanlage, die ausschließlich Wasser für den menschlichen Verzehr produziert. Als verantwortlicher Verwalter der Umwelt arbeitet der Morongo-Stamm gewissenhaft mit Nestlé zusammen, um den Anlagenbetrieb zu überwachen, und führt Programme zur Neubildung des Wassers und andere Umweltprojekte durch, damit die Wasserressourcen wohlbehalten und verlässlich für zukünftige Generationen zur Verfügung stehen.“

Dass es überhaupt zu dieser Situation kam, ist ein wenig ironisch, denn eigentlich wollte der Wasserversorger Cabazon Water District seinen Kunden günstigeres Trinkwasser aus dem Hahn gewährleisten. Das Wasser floss durch das Gebiet des Stammes, der dies dem Wasserversorger gewährte. Dann, Anfang der 2000er-Jahre, beschloss der Cabazon Water District, diese Wasserrechte für 3 Millionen Dollar an den Stamm zu verkaufen. Dieser Verkauf ermöglichte es dem Wasserversorger, seine Tarife deutlich zu reduzieren. Der Morongo-Stamm hatte im Gegenzug nun einen erweiterten Zugang zu der Quelle, aus der geschätzt 12.000 Liter Wasser die Minute fließen.

Nur wenige Monate später verkündete der Stamm einen Deal mit der Perrier Group of America, einem Tochterunternehmen von Nestlé, zur Produktion von Flaschenwasser der Marke Arrowhead. Details zu dem 25 Jahre laufenden Vertrag wurden nicht bekannt gegeben, aber das Unternehmen ließ verlauten, dass es 26 Millionen US-Dollar für den Bau der Abfüllanlage investiere und eine Gebühr an den Stamm für jede Gallone (3,78 Liter) entnommenes Wasser entrichte. Legt man alleine diese Zahlen zugrunde, wird deutlich, wie profitabel das Geschäft mit Flaschenwasser ist. Nestlé Waters North America, eine Tochtergesellschaft der Schweizer Nestlé mit Hauptsitz in Stamford, Connecticut, sagt auf seiner Website, dass es 29 Mineralwässer in den Vereinigten Staaten und Kanada anbietet, mit einem Jahresumsatz in Höhe von vier Milliarden US-Dollar im Jahr 2012.

Man kann den Versprechungen von Nestlé und den Morongo-Indianern Glauben schenken oder auch nicht. Die Wahrheit wird sich erst im Laufe der Jahre zeigen. Schon jetzt gehen die Grundwasserreserven zurück, und sie erholen sich nicht ausreichend. Ob es allein den Jahren der Dürre zuzuschreiben ist oder ob das Abpumpen des Grundwassers für die Wasserflaschenproduktion erheblichen Anteil daran hat, kann leider niemand mit Bestimmtheit sagen. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass Nestlé einer Region über die Maßen Wasser entzieht.

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