Lima zwischen Wasserkrise und Verschwendung

Die peruanische 8 Millionen Metropole Lima ist die Stadt mit dem größten Wasserstress. Die Wasserversorgung ist sozial ungleich verteilt und die Ärmsten zahlen die höchsten Wasserpreise. Die Qualität des Wassers und die sanitäre Infrastruktur sind so schlecht, dass Wasserbedingte Krankheiten weit verbreitet sind. Die Wüstenstadt trocknet aus.

Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen von Schmelzwasser der großen Gletscher abhängig. Der Klimawandel führt zu einem immer größeren Rückgang der Gletscher. In Peru ist der Zustand der Gletscher schon jetzt dramatisch und die Lage in der Hauptstadt Lima ist dramatisch. Die Metropole droht in naher Zukunft auszutrocknen. Die Küste Perus zählt zu den trockensten Wüsten weltweit und Lima ist eine ständig wachsende Millionenstadt in dieser extrem trockenen Wüste. Nach Kairo ist Lima die zweittrockenste Stadt. Für die neun Millionen Bewohner ist Wasser in dieser trockenen Region sehr kostbar, doch das Wassermanagement, die Infrastruktur und der Umgang mit dem kostbaren Nass sind katastrophal. Jeder Limeño verbraucht täglich etwa 240 Liter, zweimal so viel wie der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland. Hinzu kommen die sozial ungerechte Verteilung und unfairen Preise der verschiedenen Versorgungsarten.

Im Dezember beginnt eigentlich die Regenzeit und das Flussbett des Chillón sollte sich füllen, doch bisher ist kaum Regen gefallen. Der Fluss bleibt trocken und staubig. An sich mangelt es Peru nicht an Wasser, nur fließen 70 Prozent allen Wassers an der Ostseite der Anden ab, in Richtung Amazonas. Doch 70 Prozent der Bevölkerung leben an der Pazifikküste, vor allem in Lima.

Obwohl die Stadt unter großem Wasserstress leidet, macht sie nicht den Eindruck. Die Mittelstreifen der Straßen sind mit dichtem Rasen versehen und am Stadtrand werden Mais und Zwiebeln angebaut. Der Chef der Umweltbehörde im Stadtteil San Martin de Porres, Luis Alvarado, startet seinen Generator unweit des trockenen Flusses und pumpt Grundwasser nach oben. „So sparen wir eine Million Soles“, erklärt Alvarado. Die umgerechnet 270.000 Euro hätte es mehr gekostet, wenn die Parks der Umgebung mit Wasser des Staatskonzern Sedapal gegossen werden würden. Schließlich soll es grün sein in der Wüste. Trinken würde Alvarado das Wasser wegen den Kolibakterien jedoch nicht.

Die meisten Toiletten in Lima sind nicht an das Abwassersystem angeschlossen. Die Fäkalien enden überwiegend in Sickergruben. Es gibt keine Stadtplanung. Das Viertel San Martin de Porres ist durch sogenannte informelle Bebauung entstanden. Der Zustrom in die Stadt wächst unaufhörlich und weil es keinen Platz gibt, wird einfach am Stadtrand illegal gebaut. „Weil unten kein Platz ist, bauen die meisten auf dem Hügel, aber informell“, sagt Valencia. Neue Siedlungen entstehen praktisch über Nacht. Da niemand die Menschen vertreiben will, werden die informellen Siedlungen über kurz oder lang legalisiert. Allerdings gibt es dadurch keine Wasser- und Abwasserinfrastruktur in den unkontrolliert bebauten Vierteln.

Diese Viertel werden mit Tanklastern beliefert. Etwa zwei Millionen Limeño beziehen ihr Wasser auf diese Weise und lassen sich alle paar Tage ihre Tanks und Tonnen füllen. Der Preis für das Wasser ist bis zu 10-mal höher als das Wasser aus der Leitung des städtischen Wasserversorgers. “Wir sind die vergessene Bevölkerung. Und wir zahlen hier oben noch mehr als alle anderen“, sagt Cruz, eine Krankenschwester. Je weiter der Weg für die Tanklaster, desto teurer das Wasser.

Während in der Innenstadt verschwenderisch mit Wasser umgegangen wird, ist es für die ärmeren Schichten der Bevölkerung am Stadtrand teurer und vor allem von schlechterer Qualität. Die Tanklaster liefern selten sauberes Wasser und die Fässer der Bewohner sind meist alte Chemie- oder Ölfässer. Die hygienischen Bedingungen sind äußerst mangelhaft und Infektionskrankheiten sind an der Tagesordnung. Die Stadt versucht auf die Nöte einzugehen und verlegt Wasserleitungen. Doch ist die Lage in einem Viertel etwas besser, sind schon wieder neue informelle Viertel entstanden - ein Teufelskreis. In der Innenstadt wiederum gibt es für die Wasserversorgung eine Flatrate und ist meist in der Miete inbegriffen. Es wird verschwenderisch mit dem Wasser umgegangen, denn es gibt keinen Anreiz zu sparen.

Aber auch für die Bewohner der Innenstadt wird es bald eng. Die Lage verschärft sich zunehmend, denn die Quellen Limas oben in den Anden drohen zu versiegen. Auch der in den 60-er Jahren gebaute Tunnel, der das Wasser in die Hauptstadt lenkt, anstatt das es in den Amazonas fließt, scheint undicht zu sein. Es geht mehr oben rein als unten in den zweiten Fluss der Stadt, Rimac, ankommt. Zwar ist ein zweiter Tunnel in Planung, aber bis der irgendwann fertiggestellt sein wird, muss der erste durchhalten. Um den ausgetrockneten Fluss Chillón steht es noch schlechter. Der oberirdische Fluss, der in der Regenzeit das Wasser in die Hauptstadt leitet ist mangels Niederschläge im Dezember trocken. Auch der unterirdische Fluss, gespeist durch Gletscherwasser, droht zu versiegen. Der für ihn wichtige Gletscher La Viuda, ist seit 1997 um 25 Prozent geschrumpft.

Die Versorgung Limas hängt zu 95 Prozent von den Andengletschern ab. Grundwasser und Regen sind Mangelware. „Die Regenzeit wird immer kürzer. Noch vor wenigen Jahrzehnten dauerte sie sechs Monate, jetzt nur noch drei, von Dezember bis Februar“, sagt Christof Wünsch von der Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die lokale Umweltgruppe Alternativa versucht mit besseren Tanks und einer einfache Kanalisation die Lage der Ärmsten zu verbessern. Trotz aller Fortschritte ist Oswaldo Caceres von Alternativa besorgt. „Noch haben wir Wasser, aber wenn in ein paar Jahren die Gletscher ganz verschwunden sind, dann haben wir nur noch das Wenige, was die Regenzeit liefert. Dann weiß ich auch nicht mehr, was wir tun sollen“, so Caceres.

Eigentlich war der Klimagipfel Anfang Dezember in Lima genau am richtigen Ort, denn die Auswirkungen des Klimawandels sind in der Metropole schon heute überdeutlich zu spüren. Zu Anfang der Gespräche gab es Hoffnung, dass endlich Bewegung in den Weltklimavertrag kommt. Die USA und China zeigten sich positiv die Klimaziele erfüllen zu wollen. Leider war am Ende das Ergebnis doch eher schwach. Die 195 Staaten einigten sich in Lima auf Eckpunkte für einen Weltklimavertrag. Das Abkommen ist lediglich ein Rahmenentwurf, der Ende 2015 in Paris vereinbart werden soll. Die zwei Wochen des Klimagipfels haben letztlich wieder kein klares Zeichen gesetzt.

Eigentlich ist das Papier eine Liste von Wünschen, die zahlreiche Optionen offen lassen und unverbindlich sind. Auch die CO2-Minderungsziele wurden nicht konkretisiert. Es sollten vergleichbare Kriterien ausgearbeitet werden, was nicht passierte, denn die Angaben sind de facto freiwillig. Kein Wunder, dass es ausreichend Kritik gab.

„Zwar bringt uns das Ergebnis gerade so auf den Weg von Lima nach Paris. In der Substanz aber sind die gefassten Beschlüsse beunruhigend schwach“, sagte Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig. Für Sabine Minninger von Brot für die Welt ist das Ergebnis ein „Minimalkonsens, der den dringenden Erfordernissen angesichts des voranschreitenden Klimawandels nicht entspricht“. Der WWF kritisiert, dass keine Emissionsreduzierungen vor 2020 verhandelt wurden. Der Vertrag soll erst ab 2020 gelten, obwohl es ständig neue Emissionsrekorde gibt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich jedenfalls zufrieden nach dem Klimagipfel. „Der Generalsekretär begrüßt das Ergebnis des UN-Klimagipfels“, hieß es in einer Erklärung der UNO.

Wären die Vertreter der 195 Staaten mal vom Tisch aufgestanden und hätten sich die Außenbezirke der Gastgeberstadt sowie die schwindenden Gletscher angesehen, wäre ihnen vielleicht bewusst geworden, dass dringend gehandelt werden muss. Oswaldo Caceres von Alternativa hofft nicht auf den Klimagipfel. „Ach, dort geht es doch immer nur sehr mühsam voran, und mit den Menschen hier spricht ohnehin niemand“, sagt Caceres resigniert. Hätten die Vertreter das nur mal gemacht.