Berliner Wasserbetriebe vom Bundeskanzleramt abgemahnt

Was die Berliner Bürger schon lange ahnten, wurde vom Bundeskartellamt bestätigt: Das Berliner Trinkwasser ist zu teuer. Kurz vor dem Jahreswechsel flatterte den Berliner Wasserbetrieben vom Bundeskartellamt Post ins Haus, in der die BWB wegen missbräuchlich überhöhter Preise des Trinkwassers abgemahnt wurden. Die Bonner Behörde kam in einer vorläufigen rechtlichen Bewertung zu dem Ergebnis, dass in den nächsten drei Jahren die Wasserpreise um durchschnittlich 19 Prozent gegenüber den Preisen von 2010 abgesenkt werden müssen.

Die Preissenkung bezieht sich hierbei auf die Durchschnittspreise pro Kubikmeter über alle Tarife hinweg und ohne Steuern und Abgaben. Was des einen Leid, ist des anderen Freud. Die Erlösabsenkung von rund 205 Millionen Euro kommt den Berliner Verbrauchern unmittelbar zugute. Mit dieser Abmahnung greift erstmals die Bundeskartellbehörde in die Preiskalkulation eines Wasserversorgers ein. In der Vergangenheit scheiterte dies daran, dass der Wasserpreis wie eine Gebühr zustande kommt. Gebühren werden gesetzlich festgelegt. Das Kartellamt hat seine Zuständigkeit nur für auf dem Markt erzielte Preise.

Einen freien Markt indes gibt es bei der Wasserversorgung nicht, denn es handelt sich um ein Monopol, welches in Berlin zusätzlich rechtlich durch einen Anschluss- und Benutzungszwang abgesichert ist. Der Grund für die Einmischung durch das Bundeskartellamt in die Preisgestaltung ist ein kleines Detail: Die Berliner Wasserbetriebe sind seit 1999 knapp zur Hälfte privatisiert. Während das Abwasser als Gebühr berechnet wird, wird der Trinkwassertarif als „Preis“ bezeichnet. Trotz Monopol erhebt die BWB privatrechtliche Wasserpreise, und somit findet auch das Wettbewerbsrecht Anwendung. „Die Wasserversorgung ist eines der letzten großen Monopole in Deutschland. Das Verfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe zeigt, wie wichtig unsere Kontrolle ist. Kartellbehörden müssen in die Lage versetzt werden, flächendeckend eine verschärfte Aufsicht über alle Wasserversorger ausüben zu können. Für den Verbraucher ist es völlig unerheblich, ob er Wasserpreise oder Wassergebühren zahlt. NEWS WASSER Berliner zahlen zu hohe Wasserpreise von Stefanie Lehmann 20 Davon ist aber derzeit die kartellrechtliche Kontrolle abhängig.

Hier ist der Gesetzgeber gefordert, die geteilte Aufsicht zu beenden“, erklärte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Das Verfahren gegen den größten Wasserversorger Deutschlands wurde bereits im März 2010 eingeleitet, und das Bundeskartellamt hat umfangreiche Ermittlungen eingeleitet. Die Bonner Behörde hat sich von allen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern (insgesamt 38) Daten zur Wasserversorgung zukommen lassen. Als Vergleichsmaßstab hat das Kartellamt sich dann für die Städte Hamburg, München und Köln entschieden, da diese mit den strukturellen Gegebenheiten von Berlin vergleichbar sind. Als Resultat ergab sich, dass die BWB signifikant höhere Profite als die drei anderen Städte erzielte. Intensiv wurde bezüglich der Kosten und Versorgungsbedingungen ermittelt. Vor allem für die in Deutschland gute Trinkwasserqualität sind die Anstrengungen bei allen Versorgern vergleichbar.

So kam das Bundeskartellamt zu dem Schluss, dass Berlin keine höheren Kosten als Köln, Hamburg oder München hat. In Berlin ist reichlich und gut zugängliches Wasser vorhanden, und die Gegebenheiten zur Wasserverteilung sind ebenfalls günstig. Der einzige finanzielle Mehraufwand der BWB war die Sanierung des Wassernetzes im Osten nach der Wiedervereinigung, für die Berlin erheblich mehr in die Versorgungsanlagen investieren musste als die drei Vergleichsstädte. Diese Mehrinvestitionen sind über langjährige Abschreibungen zum Teil noch heute in den Tarifen eingepreist, und das Bundeskartellamt beabsichtigt, diese Kosten und die dadurch gegebene preiserhöhende Wirkung anzuerkennen. Ende Januar haben die Berliner Wasserbetriebe in einem 180-seitigen Schreiben Stellung zu der Abmahnung genommen. Bereits kurz nach dem Erhalt wiesen die Berliner Wasserbetriebe den Vorwurf des Monopol-Missbrauchs zurück und begründeten dies in ihrem Antwortschreiben nun ausführlich. Der Versorger bestätigte, dass in Berlin zwar offiziell ein Preis berechnet werde, dies aber hänge mit rechtlichen Vorgaben zusammen. Weil der Preis wie eine Gebühr zustande komme, sei das Kartellrecht nicht anwendbar und somit das Bundeskartellamt für angeblich missbräuchlich überhöhte Preise nicht zuständig.

BWB-Chef Jörg Simon erklärte, dass die BWB „nicht grundsätzlich gegen Tarifveränderungen“ sei. Allerdings sei der Weg über das Kartellrecht, der noch vom ehemaligen Wirtschaftssenator und Privatisierungsgegner Harald Wolf (Linke) eingeschlagen wurde, der falsche. Eine Feststellungsklage der BWB gegen die Anwendbarkeit des Kartellrechts ist im Gange und eine weitere Klage gegen die Preissenkungsverfügung auf dem Weg. Warum die Wasserpreise in Berlin so hoch sind, liegt an der Teilprivatisierung der BWB seit 1991, wie die Privatisierungsverträge aufdeckten, nachdem die Offenlegung 2011 auf öffentlichen Druck durch ein Volksbegehren erzwungen wurde. Vertraglich vereinbarte Verzinsungsregeln, welche die Gewinne für Land und Private hochschrauben, sind ein für die überdurchschnittlich hohen Preise verantwortlicher Faktor. Ein Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses untersucht derzeit die Privatisierungsverträge. Insgesamt ist die Berliner Wassersituation kompliziert, da das Land Berlin in Verhandlungen mit den privaten Investoren RWE und Veolia steht. Von RWE würde das Land Berlin gerne die 25-prozentige Teilhaberschaft zurückkaufen, und mit Veolia geht es um Veränderungen des bestehenden Vertrages, die ebenfalls zu niedrigeren Tarifen führen sollen. Natürlich hängen beide Verhandlungen vom Ergebnis des Kartellstreits ab. Sollten die Tarife sinken, würde sich auch der Unternehmenswert verringern, der sich in einer niedrigeren Rückkaufsumme des RWE-Anteils widerspiegeln würde. Zudem fordern die Privaten eine Nachzahlung von 340 Millionen Euro, deren Anspruch Berlin allerdings bestreitet. Es wird noch einiges Wasser die Spree hinunterfließen, bevor der Berliner Wasserpreis sich dem Durchschnittspreis der drei Vergleichsstädte annähert und die Verbraucher für das kostbare Gut einen fairen Preis bezahlen.

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